Mauretanien
Die Macht bleibt in den Händen von Generälen in ziviler Kleidung
Flächenmässig ein grosser Staat, hat Mauretanien nur im Südwesten (Senegalfluss) und im Westen (Atlantikküste) eine natürliche Grenze; 90 % des Landes ist Wüste und seine Küste schwer zugänglich.
Noch im Neolithikum fand die Bevölkerung der Sahara zufriedenstellende Lebensbedingungen. Das Land trocknete jedoch zunehmend aus und seine Bewohner wanderten ab. Von Norden her drangen Berbervölker in den ariden Raum ein. Das Kamel verdrängte das Pferd und die Sahara wurde zum „Meer“, aus dem in unregelmässigen Abständen bewohnte Inseln ragten, und das Karawanen durchquerten Das Gebiet war und ist ein Durchzugsraum, eingebunden in die Geschichte der grossen Reiche im Norden wie im Süden.
Ab 1400 drangen die Bani Hassan, nomadischer Viehzüchter und „Krieger“, in mauretanisches Gebiet ein und bemächtigten sich in Auseinandersetzung mit den islamisierten Berbern der Herrschaft in den meisten Regionen. Mit ihnen kam das Arabische als dominierende Sprache.
Nomadische Viehzüchter – Anfang der 1960er Jahre waren noch 2/3 der rd. 1 Mio. Mauretanier_innen Nomaden -, Oasenbewohner und Bauern im Süden teilten sich das Land, setzten „schwarze“ Sklaven zur Arbeit ein und befanden sich oft in heftigen Auseinandersetzungen um die Kontrolle von Land und Ressourcen. Die französische Kolonisierung war oberflächlich; der Grossteil der Nomaden blieb ausserhalb des Netzes direkter kolonialer Beziehungen, immer ein Ärgernis für die französische Hegemonie. 1928 beklagte Saint Exupéry in einem Bericht, dass die politischen Autoritäten „ständig auf den Widerstand von tausend Einzelnen mit auseinanderstrebenden Interessen” stiessen und sprach sich dafür aus, die Nomaden zu entwaffnen und sesshaft zu machen. Das Gebiet wurde von St. Louis im Senegal aus verwaltet; die Kolonie kostete deutlich mehr als sie einbrachte.
Nur ein kleiner Teil der maurischen Elite und die Eliten des Südens (Wolof, Soninke, Fulbe) nützten die Bildungsmöglichkeiten auf Französisch und machten Karriere in der Verwaltung
1935 hatte man die Eisenerzvorkommen im Nordwesten des Landes entdeckt und ab 1946 plante man die Kupfervorkommen im mittleren Mauretanien abzubauen. Die Nutzung der Vorkommen begann erst nach der Unabhängigkeit. Damit veränderte sich die nationale Wirtschaft wie die politische Struktur des Landes; Mauretanien konnte auf französische Budgethilfe verzichten und mit der Gründung von Gewerkschaften der Minenarbeiter wurde die lohnabhängige Arbeitskraft zu einem politischen Faktor in Mauretanien - beides war allerdings nicht von Dauer.
Marokko sah das Nachbargebiet als Teil seines historisch gewachsenen Staatsgebietes an und forderte bereits 1956 einen Anschluss, der allerdings nur von einer Minderheit der mauretanischen Bevölkerung mitgetragen wurde. Erst 1970 war es bereit, das Nachbarland anzuerkennen.
Mauretanien wurde 1965 als parlamentarische Demokratie unabhängig; 1965 erhielt es eine Präsidialverfassung und die regierende Partei wurde zur Einheitspartei. Ould Daddah hatte danach, als Staatschef und Präsident des Politbüros, absolute Gewalt über den Staat.
Die wirtschaftliche Produktion des Landes wurde zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit durch die Landwirtschaft bestimmt; sie hatte sich im Verlauf der Kolonialzeit immer deutlicher auf die lokale Versorgung hin orientierte. Die Gewinnung von Eisenerz erbrachte Ende der 1960er Jahre einen nahezu ebenso grossen Anteil des Bruttoinlandsproduktes wie der landwirtschaftliche Sektor: dieser beschäftigte rund 90% der arbeitenden Bevölkerung, während beim Abbau und der Verarbeitung von Eisenerz nur 3.000 bis 4.000 Arbeitskräfte beschäftigt waren. Der Kupferbergbau erwies sich allerdings als kostspielig und wenig einträglich. Der Ausbau von Fischfang und –verwertung erwies sich auf längere Zeit als die beste Investition.
Die Kosten wirtschaftlicher Modernisierung trieben das Land in den1970er Jahren in die Verschuldung und machten es erneut von Gebern und internationalen Finanzinstitutionen abhängig.
Die Besetzung der ehemaligen Spanischen Sahara gemeinsam mit Marokko ab 1975 verschärfte die wirtschaftliche und politische Krise im Land. 1978 stürzte deie Armee Präsident Ould Daddah; 1979 beendete Mauretanien das verlustreiche Abenteuer der Okkupation.
Fünf Staatsstreiche bzw. Wechsel des Staatsoberhaupts bis 1992 waren das Ergebnis der Konkurrenz zwischen den herrschenden Offiziere und ihren Klientelen. Nach der Auflösung der Einheitspartei und des Parlaments, die unter Ould Daddah dem Ausgleich der regionalen Gegensätze und der Formulierung der Interessen einzelner Gruppen gedient hatten, versuchten lokale Gruppen und Clans sich direkt staatlicher Institutionen zu bemächtigen; die Bedeutung des „Tribalismus“ nahm zu und die Zahl der an der Macht beteiligten Gruppen ab. Die Spannungen zwischen Mauren und „Schwarzen“ stiegen.
Mit der ökologischen Katastrophe der Anfang 1970er Jahre veränderte sich die soziale Struktur des Landes grundlegend. Der Anteil der nomadischen Bevölkerung nahm stark ab. Mitte der 1990er Jahre führten nur noch etwa 5% das mühselige Leben eines Nomaden. In Nouakchott wohnten über 600.000 Einwohnern, 1/3 der gesamten Bevölkerung des Landes. In einer Stadt, deren Infrastruktur in den 1950er Jahren für 12.000 konzipiert worden war, bedeutete dies Elendsquartiere, Arbeitslosigkeit und unkontrollierbare Verhältnisse.
1991 brachte die Demokratiebewegung eine neue Verfassung mit einem Mehrparteiensystem. Die Präsidentenwahlen vom Jänner 1992 trugen der geforderten Demokratisierung zwar Rechnung, zeigten aber auch sehr deutlich, dass die regierende Fraktion nicht fürchten mussten, ihre Macht zu verlieren. Die Strukturanpassungsmassnahmen führten zu Hungerprotesten, wurden jedoch autoritär durchgezogen.
Die Jahre nach 2000 sahen erneut Putschversuche der Armee, aber auch ökologische Heimsuchungen wie Dürre, Überschwemmungen und Heuschreckeninvasion. Die Hoffnungen, die die Regierung in Erdölvorkommen setzte, erfüllten sich nicht. 2005, und 2008 erneut, gab es einen Regimewechsel durch einen Militärputsch – der letztere führte dazu, dass Geber ihre Entwicklungshilfe einstellten. Staatschef Mohamed Ould Abdel Aziz, der durch den Putsch 2008 an die Macht gekommen war, liess sich anschliessend zweimal zum Präsidenten wählen, was dem Land nicht zuletzt die Wiederaufnahme der Entwicklungshilfe verschaffte, liess es zuletzt jedoch bleiben und überliess einem engen Vertrauten und Mitputschisten aus 2008 den Platz. sowohl die Parlamentswahlen von 2018 wie die Präsidentenwahlen 2019 beliessen die herrschende Militärelite ungefährdet an der Macht.