UGANDA
Der (K)einparteienstaat des Langzeitherrschers Yoweri Museveni
„Die Perle Afrikas“ nannten die kolonisierenden Briten Uganda und Winston Churchill schrieb in seinem 1909 erschienen Buch „My African Journey“: „Das Königreich von [B]uganda ist ein Märchen. […] Man fährt mit der Eisenbahn hoch und findet am Ende eine wundervolle neue Welt.“ (p. 86)
Das Territorium, das die kolonialen Grenzen schliesslich umschlossen und aus dem der moderne Staat Uganda wurde, umfasst allerdings sehr unterschiedliche vorkoloniale Staaten und Gesellschaften. Im zentralen und südlichen Teil des Landes entstanden auf günstiger wirtschaftlicher Basis „feudale“ Staaten, während der Norden ökologisch ungünstiger ist und von einer Bevölkerung bewohnt, die bis ins 20. Jahrhundert in Bewegung war. Hier bildeten sich kleine politische Einheiten, die untereinander durch Sprache, wirtschaftlichen Austausch und Religion vernetzt waren. Die unterschiedlichen Gegebenheiten wirkten weiter, gefiltert und verstärkt durch Massnahmen der Kolonialregierung, und bilden auch heute noch, bewusst und unbewusst, unterliegende Muster politischer Organisation und gesellschaftlicher Auseinandersetzungen.
Die ersten Europäer kamen Mitte des 19. Jhdts ins Land. Im Wettbewerb um (bäuerliche) Arbeitskraft und Boden kam es zu Auseinandersetzungen zwischen lokalen Herrschern und Adeligen, chiefs, protestantischen wie katholischen Missionen, muslimischen Händlern und zuletzt indischen wie europäischen Unternehmern und Landbesitzern. Die Briten übernahmen für die Verwaltung die vorhandenen Institutionen, zum Teil setzten sie auch Baganda als Agenten in anderen Landesteilen ein. Damit wurde unter den veränderten Machtverhältnissen der Kolonialzeit die vorkoloniale und frühkoloniale Expansion Bugandas weiter geführt, woraus nicht wenig Konfliktstoff resultierte, der bis heute die innenpolitische Situation mitbestimmt.
Die Fertigstellung der Eisenbahn Mombasa - Kampala 1902 brachte der Exportwirtschaft Ugandas einen raschen Aufschwung. Der Süden produzierte Baumwolle und Kaffee; der Norden lieferte Arbeitskraft und Soldaten. Europäische Farmer mussten der Konkurrenz einheimischer Bauern und landwirtschaftlicher Unternehmer aus der Oberschicht weichen. Eine indische Mittelschicht etablierte sich in Handel, Gewerbe und Industrie.
Inder und Europäer waren im Gegensatz zur afrikanischen Bevölkerung in der Zeit vor 1945 bereits direkt in den politischen Institutionen des kolonialen Uganda vertreten. indirect rule wurde durch ein System der local governments abgelöst, konservierten jedoch wie das vorangegangene System bestehende Verhältnisse. Vor allem Buganda nahm in diesem Zusammenhang eine eigene, bevorzugte Entwicklung. Die Öffentlichkeit war als Folge des kolonialen Teile-und-herrsche stark „tribalisiert“. Armee und Polizei wiesen einen hohen Anteil von Angehörigen nilotischer Abstammung auf (wie Lango oder Acholi), als Gegengewicht zur Dominanz des Südens, vor allem der Baganda, in Wirtschaft, Bildung und Verwaltung. Die „traditionelle Elite” Bugandas hatte aufgrund ihrer willfährigen Zusammenarbeit mit der Kolonialregierung ihre frühere Macht behalten und sie auch wirtschaftlich umgesetzt. Während Buganda auf seiner Sonderstellung beharrte, überwog ausserhalb Bugandas die Tendenz zu einem Einheitsstaat mit zentraler Regierung, ohne Sonderregelungen für einzelne Provinzen. Die Verfassung von 1961 verschuf Buganda den Status eines föderativen Teilstaats in einem ansonsten zentralistisch organisierten Uganda. Wahlen im Frühjahr 1962 brachten einen überwältigenden Sieg der Königspartei in Buganda, während sich Milton Obote mit dem Uganda People's Congress (UPC) im übrigen Uganda durchsetzte. Verhandlungen brachten schliesslich die Unabhängigkeit am 9. Oktober 1962 unter einer Regierung Obote.
Die Spannungen zwischen Föderalisten und Zentralisten, zwischen dem Kabaka von Buganda und Regierungschef Obote, führten zu zahlreichen Konflikten und gipfelten in der Absetzung des Kabaka als Staatschef von Uganda und seiner gewaltsamen Vertreibung durch die Armee. Die oberflächliche „Linkswende“ der Regierung Obote verschleierte nur mangelhaft Misswirtschaft und Korruption. Die versuchte Kontrolle der Wirtschaft durch Politiker und Bürokratie führte schliesslich zu einem Bruch mit der ursprünglichen Basis der Staatspartei, mit den kleinen und mittleren afrikanischen cash crop Produzenten, Händlern und Gewerbetreibenden. Während Obote im Ausland war putschte Armeechef Idi Amin Anfang 1971 und wurde, kräftig unterstützt von ausländischen Mächten, neuer Staatschef. In der Bevölkerung hatte Amin anfangs als Volkstribun Erfolg. Während die Weltöffentlichkeit begann auf den „Spassmacher“ Idi Amin Dada aufmerksam zu werden, die Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU) in Addis Abeba seine Delegation als nicht rechtmässige Vertretung Ugandas ablehnte, die Nachbarn Pläne zu seiner militärischen Beseitigung machten und andere afrikanische Staaten ihn im Gefolge Grossbritanniens anerkannten, begann Idi Amin mit einer brutalen „Säuberung“ der Streitkräfte und der politischen Szene. Er kontrollierte mit Hilfe militärischer Einheiten direkt und indirekt das gesamte Leben und bildete unter Ausschaltung der Bürokratie die Verbindung zwischen Oben und Unten im Staat. Die Vertreibung der Inder und die Nationalisierung von Unternehmen schufen eine kleine Gruppe sehr reicher Profiteure, die die Einkünfte aus Wirtschaftsunternehmen für den eigenen Konsum und nicht zur Weiterführung der Betriebe verwendeten. Andere Unternehmer scheuten sich aus Angst vor Enteignung allzuviel zu investieren. Ein dritter Teil betrieb vor allem Schattengeschäfte mit raschen Umsätzen und hohen Gewinnen. Der Rückgang der Produktion und der Importe hatte eine Knappheit an Gütern und den Verfall der Staatseinnahmen zur Folge. Als Amin 1979 versuchte einen Teil Tanzanias zu besetzten, schlugen dessen Streitkräfte zurück, besetzten Kampala und vertrieben Idi Amin.
In der Folge kam es zu einem völligen politischen und wirtschaftlichen Zusammenbruch des Landes. Der höchst umstrittenen Erfolg von Obotes UPC in den Wahlen Ende 1980 war der Beginn einer Anarchie. Gemeinsam mit Vizepräsident Paul Muwanga regierte Obote einen Staat, der wirtschaftlich und moralisch bis in seine Grundfesten zerstört war. Über weite Teile des Landes hatte die Regierung keine Kontrolle. Armee, Fraktionen innerhalb der Armee, verschiedene Befreiungsbewegungen und bewaffnete Banditen kämpften gegeneinander und gegen die Zivilbevölkerung. Mitte 1985 stürzte die Armee Obote und Anfang 1986 übernahm die „Befreiungsarmee“ von Yuweri Museveni die Regierung im Staat.
Mit Hilfe massiver Unterstützung westlicher Staaten und Geber gelang es der neuen Regierung die Wirtschaft und die Verwaltung zu sanieren, doch vor allem im Norden gingen die bewaffneten Auseinandersetzungen („Lord’s Resistance Army“) bis 2017 weiter.
Museveni’s Uganda wurde ein hybrider Staat, kontrolliert von einem semi-autoritären Regime, das trotz mancher Ansätze zu Demokratisierung und Korruptionsbekämpfung, trotz massiver finanzieller Unterstützung und guter wirtschaftlicher Entwicklung, immer wieder durch Gewalt gegen Medien und Opposition sowie Menschenrechtsverletzungen von sich reden macht. In ihrer Einleitung zu Museveni’s Uganda schreibt Aili Mari Tripp „Hybride Regime sind mit Widersprüchen behaftet. [...] Weil [ihre] Führer die Macht durch Gewalt und Patronat erreicht haben, können sie die Macht nicht aufgeben; die persönlichen Folgen wären zu gross. Weil es also keinen einfachen Weg hinaus gibt, müssen sie weiter Gewalt und Patronage einsetzen, um an der Macht zu bleiben.“ (Tripp 2010: 1)
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