Mocambique

 

„Mozambique is practically a laboratory for different aid approaches“
(Center for Global Development)

Das Gebiet des heutigen Staates Moçambique wurde im Verlauf des 2. Jahrtausends in ein weit reichendes  Netz wirtschaftlicher Beziehungen eingebunden. Staaten und Gesellschaften im Raum des heutigen Südafrika, Malawi und  Zimbabwe traten in Kontakt zu arabisch-indischen Kauffahrern und ab dem 16. Jahrhundert den Portugiesen. Diese errichteten Niederlassungen an der Küste und bezogen die lokalen Gesellschaften in den Fernhandel ein. Gold, Elfenbein und immer mehr Sklaven waren Gegenstände eines einträglichen Unternehmens.

Die Berliner Konferenz von 1884/85, der Vertrag mit den Briten von 1891 sowie Abkommen mit den Buren sicherten formal die Grenzen und den Umfang der Kolonie Moçambique, wobei Portugal hinnehmen musste, dass seine Ansprüche auf einen zusammenhängenden Besitz vom Atlantik bis zum Indischen Ozean von den Vertragspartnern gründlich zusammengestrichen wurden.

Eine politische und wirtschaftliche Kontrolle der Kolonie erreichte Portugal bis hinein in die Zeit des faschistischen estado novo (1930-1975) nicht. Britische Kolonialgesellschaften und die frühkolonialen Grundherrn (prazeiros) hielten bis in die 1930er Jahre Macht über grosse Teile der Kolonie. Von der Südafrikanischen Republik war sie abhängig, weil mehr als 100.000 Arbeitsmigranten pro Jahr für die Bergwerke angeworben wurden und Portugal von deren Einkünften Teile einbehielt. Eisenbahnen wie Strassen querten Moçambique und dienten primär Südafrika, den beiden Rhodesien und Nyasaland für deren Exporte.

So wie früher Elfenbein, Gold und Sklaven, lieferte Moçambique im 20. Jahrhundert agrarische Rohstoffe (Baumwolle, Sisal, Zucker und Reis) sowie Arbeitskraft. Das Land produzierte billige Rohstoffe für die Industrie in Europa und wurde ein geschützter Markt für die international nicht konkurrenzfähige portugiesische Textilproduktion. Was die Kolonie im Verkehr mit Drittländern gewann, verlor sie im Handel mit Portugal; auf diese Weise finanzierte Moçambique im Verein mit den anderen Überseebesitzungen das chronische Defizit des europäischen Entwicklungslandes Portugal.

Der faschistische estado novo schirmte die Kolonien wirtschaftlich gegen fremde Investitionen ab, straffte die Verwaltung und förderte die Immigration armer Bevölkerungsteile aus Portugal. Bis Anfang der 1970er Jahre stieg die Zahl der Portugiesen in Moçambique auf etwa 250.000. Sie bildeten, vor allem in Handel und Gewerbe, eine Mittelschicht, die den Aufstieg Einheimischer in mittlere Positionen der Verwaltung und Wirtschaft hemmte.

Unter der Diktatur von Salazar hatten weder die Afrikaner noch die portugiesische Bevölkerung selbst grosse Möglichkeiten, sich politisch zu betätigen. Dass die Afrikaner dabei noch schlechter ausstiegen, lag an ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Position als indígenas” bzw. assimilados. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden aus den Kolonien „Überseeprovinzen“; bis zum „Nelkenputsch“ von 1974 hielt Portugal an einer Politik fest, nach der seine Überseebesitzungen fester Bestandteil des „Imperiums“ sein bzw. werden sollten.

Die steigende Zahl portugiesischer Einwanderer schuf einen Markt für eine lokale Industrieproduktion. Portugiesen und asiatische Einwanderer kontrollierten im ländlichen Raum den Ankauf von Agrarprodukten und Vertrieb von Konsumwaren. Die bäuerliche Produktion der afrikanischen Bevölkerung integrierte sich immer stärker in eine spätkoloniale Marktwirtschaft.

Auf der Basis intellektueller antikolonialer Vereine und ethno-nationaler Bewegungen gründete sich 1962 die Befreiungsbewegung FRELIMO (Frente da Libertaçao de Moçambique), die 1964 im Norden (Cabo Delgado) den bewaffneten Kampf begann. Die Auseinandersetzung mit der Kolonialarmee blieb auf den Norden und die Provinz Tete, mit dem grossen Staudammprojekt Cahora Bassa beschränkt. In ihrem Kampf gegen FRELIMO erhielt Portugal Unterstützung durch Südafrika und Rhodesien und konnte mit der verdeckten Solidarität Europas wie der USA rechnen, die Waffen lieferten und Entwicklungsfinanzierung beistellten. Der Konflikt wurde international zunehmend kritisch wahrgenommen und war gekennzeichnet durch immer grössere Gewalt. Eine militärische Lösung schien aussichtslos. Der Sturz Präsident Caetanos durch Angehörige der Armee („Nelkenputsch”) im April 1974 veränderte die Situation völlig. Die neue Regierung unter Spínola begann Verhandlungen mit den Befreiungsbewegungen, wobei sie in Moçambique nur die FRELIMO ansprach.

An der Spitze der Befreiungsfront stand nach der Ermordung des ersten Präsidenten Mondlane Samora Machel vom linken Flügel der Bewegung.  Dies bestimmte auch die Orientierung des Landes nach der Unabhängigkeit, wobei die neue Führung mehrere schwerwiegende Probleme zu lösen hatte: Sie musste FRELIMO zu einer Partei umstrukturieren, die schwierige wirtschaftliche Lage nach dem Abzug der Portugiesen, die bis dahin Verwaltung und Wirtschaft bestimmt hatten, überwinden, und vor allem, da sie ohne Wahlen an die Macht gekommen war, das Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung gewinnen.

Die Strategie eines sozialistischen Wirtschaftsmodells, mit Nationalisierung und Kollektivierung der Landwirtschaft schlug trotz Entwicklungshilfe fehl. Dazu kam, dass Anfang der 1980er Jahre eine von Südafrika koordinierte und zunehmend straffer geführte „Widerstandsbewegung” unter dem Namen RENAMO (Resistência Nacional Moçambiquana) das Land in einen Bürgerkrieg stürzte, der bis 1992 dauerte.

Präsident Machel starb im Oktober 1986 bei einem Flugzeugabsturz; ihm folgte sein Aussenminister Joachim Chissano, der ein völlig zerstörtes Land übernahm, mit Südafrika und RENAMO Frieden schaffen und den politischen Schwenk von einer sozialistischen zu einer kapitalistischen Wirtschaft durchsetzen musste. 1992 kam es in Rom zu einem Friedensschluss. Der Bürgerkrieg hatte einer Million Menschen das Leben gekostet, Millionen Verletzte und Flüchtlinge verursacht und den Grossteil der Bevölkerung in Armut gestürzt. 80% des Lebensmittelbedarfs musste durch fremde Mittel finanziert werden. Moçambique wurde massiv von fremder Hilfe abhängig; die Entwicklungshilfe machte pro Jahr etwa 60 Dollar pro Kopf aus, fast das Doppelte des afrikanischen Durchschnitts.

Wirtschaft und Politik war (und ist) in den folgenden Jahrzehnten durch die westliche Gebergemeinschaft, allen voran Weltbank und Weltwährungsfonds, bestimmt. In manchen Jahren machte Finanzhilfe mehr als 50% des Budgets aus. Das Land und seine Bevölkerung bezahlen für diese Dienste auf eine zweifach paradoxe Weise: sie verzichten auf eine Unabhängigkeit, die sie noch nie hatten, und akzeptieren einen brain-drain, bei dem die Elite körperlich im Land bleibt.

1994 gab es die ersten demokratischen Wahlen; es etablierte sich ein Zweiparteiensystem, in dem FRELIMO, zunehmend mit Hilfe von Wahlfälschung, die Präsidentschaft und die Mehrheit im Parlament hatte und hat.

Mit tatkräftiger Hilfe internationaler Geber von Krediten und Entwicklungshilfe, getrieben von rohstoffhungrigen Unternehmen und heimgesucht von schweren Tornados, Überschwemmungen und Dürre wurde Moçambique in den ersten beiden Dekaden des 21. Jahrhunderts zu einem Ort krasser Fehlentwicklungen. Eine kleine, FRELIMO verbundene Elite sichert sich durch Staatsbeteiligung und Korruption grossen Reichtum, während die Zahl der Armen weiter steigt. Aufbegehren der Bevölkerung schlägt sie gewaltsam nieder; Wahlen wurden und werden durch die Regierungspartei gefälscht; die westliche Gebergemeinschaft versuchte immer wieder durch Kürzung der Entwicklungshilfe Einfluss zu nehmen, stellte sich aber letztlich blind, um den eigenen Ruf als erfolgreiche Macher nicht zu gefährden.

Die Entdeckung und Aufschliessung bedeutender Rohstoffvorkommen – Kohle, Graphit, Erdgas -  stärkt die Position der Regierung gegenüber den Gebern, ebenso wie das Engagement neuer Geber (China, Indien, Brasilien). Das Land wird jedoch von den fremden Unternehmen immer wieder um seinen Anteil an den Profiten betrogen.

Die Konkurrenz der Geber und Unternehmen, erweitert durch asiatische Staaten und Brasilien, brachte ebenso keine Vorteile wie der Abbau von Rohstoffen und der Export von Erdgas. Korruption und Beteiligung an Geschäften brachte einigen Wenigen Gewinne, brachte manche, wie Ex-minister Chang, vor Gericht in den USA, verbesserte jedoch nicht die Lage der Armen, deren absolute Zahl in den beiden Dekaden zunahm, obgleich aus Washington Erfolgsmeldungen im Kampf gegen Armut verbreitet wurden.

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