Sahara / Westsahara / Demokratische Arabische Republik Sahara
In der Einleitung zu seinem Buch Western Sahara: the roots of a desert war schreibt Tony Hodges (1983:vii): „Einer der unwirtlichsten Plätze auf dieser Erde, das früher spanische Territorium der Westsahara, ist, so sollte man meinen, ein Gebiet, das kaum jemand haben möchte.“ Auf rund 266.000 km2 gibt es kaum fruchtbare Zonen und wenig Oasen. Das Landesinnere ist sandig, steinig und trocken, die Atlantikküste abweisend: ihre Klippen, Sandbänke und Untiefen wurden seit Beginn der europäischen Seefahrt so gut es ging gemieden.
Einige zehntausend Menschen lebten in vorkolonialer Zeit in diesem Raum, in kleinen Gruppen, immer in Bewegung. Marokko kontrollierte die Handelswege durch die Sahara, das Gebiet der Westsahara lag jedoch abseits der grossen Strassen und nur wenige Karawanen erreichten die Atlantikküste nördlich des Senegalflusses. Spanien sicherte sich nach der Berliner Konferenz 1884 – mehr nominell als real – zwei koloniale Provinzen: Saguia el Hamra und Rio de Oro. Die Kolonie kostete wenig, und brachte noch weniger ein. Den besten Dienst, den sie der Metropole leistete, war ihre Verwendung als Strafkolonie und für den beginnenden Flugverkehr nach Afrika und Südamerika waren Tarfaya und Villa Cisneros wichtige Zwischenstationen.
Immer wieder setzten sich Teile der Bevölkerung gegen die kolonialen Besatzer zur Wehr. Ab den 1950er Jahren forderte die UNO die Entkolonisierung und setzte 1963 das Land auf die Liste der „Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung“. Aus einer Untergrundbewegung wurde am 10. Mai 1973 die „Volksbefreiungsfront von Saguia el-Hamra y Rio de Oro”, kurz POLISARIO, die eine Befreiung der Sahara durch den bewaffneten Kampf anstrebte. Marokko forderte immer heftiger einen Abzug der Spanier. Nach dem Tod Francos 1976 verliessen Spaniens Soldaten und Beamte beinahe fluchtartig das Territorium. Marokko und Mauretanien besetzten die Provinzen; die Polisario rief ihrerseits einen souveränen Staat aus. Nach dem Verzicht Mauretaniens standen einander Marokko und Polisario in einem bewaffneten Kampf gegenüber, der 1991 mit einem Waffenstillstand endete.
Seither ist die Westsahara eine Problemzone, die zunehmend aus dem Blickfeld der Weltöffentlichkeit verschwindet. Marokko hält etwa ¾ des Territoriums besetzt und schützt sich durch einen Sandwall und Minengürtel. Die Polisario verwaltet von Algerien aus die Flüchtlingslager und manifestiert Präsenz im verbliebenen Rest des Landes. Die UNO kontrolliert mit einer Friedenstruppe (MINURSO) die entmilitarisierte Zone und scheitert immer wieder am Versuch, ein Abkommen zwischen den betroffenen Akteuren zustande zu bringen. Im Mai 2019 legte der deutsche Altbundespräsident Horst Köhler sein Amt als UN-Sonderbeauftragter für den Westsahara-Konflikt zurück.
Marokko, das aus Protest gegen die Aufnahme der Demokratischen arabischen Republik Sahara aus der Organisation der Afrikanischen Einheit (heute AU, African Union) ausgetreten war, ist heute wieder Mitglied. Die Europäische Union stellte 2016 bzw. 2018 fest, ihre Abkommen mit Marokko betreffend Agrarexporte und Fischerei beträfen nicht das Territorium der Westsahara. Das hindert Marokko nicht am Export von Phosphat und Tomaten, und die Spanier nicht am Fischfang in der Hoheitszone der Westsahara. Von Demokratie ist bei der DARS wenig sichtbar.
Marokko beschuldigt den Iran und die Hizbollah Waffen an die Polisario zu liefern, wohl auch um seinen „Paten“ – Trumps USA und Saudi-Arabien - zu gefallen. Algerien verliert aufgrund eigener Probleme das Interesse an einer Unterstützung der Polisario. Am 11.05.2017 berichtete die Neue Zürcher Zeitung, die Schweizer Firma Glencore hätte unter Druck von NGOs ihre Teilnahme an Erdölbohrungen in der Westsahara eingestellt, die Nahrungsmittelkette Coop würde keine Cherrytomaten mehr aus der Region importieren und ein südafrikanisches Gericht hätte einem neuseeländischen Frachter beladen mit Phosphat die Weiterfahrt untersagt. Am 02.05.1919 berichtete Western Sahara Resource Watch (https://www.wsrw.org/a105x4505), ein Frachter beladen mit Fischmehl aus El Aioun hätte im Hafen von Bremen angelandet.
Marokko siedelte mehrere Hundertausend Immigranten aus Marokko in den beiden Provinzen an und schuf Arbeitsplätze in der Fischverwertung, der Produktion von Gemüse und im Tourismus. Hilfsorganisationen unterstützen den Ausbau und die Aufrechterhaltung der Infrastruktur in den Flüchtlingslagern in der Wüste Algeriens für etwa 160.000 Sahrauis. Ein Referendum über die Zukunft der Westsahara scheint wenig wahrscheinlich – zuvörderst bereits, weil keine Einigung darüber erzielt werden kann, wer angesichts der exilierten und eingewanderten Menschen überhaupt daran teilnehmen dürfte. (WS, 05.06.2019)