St. Helena, Tristan da Cunha, Ascension
St. Helena, Tristan da Cunha, Ascension
„further away from anywhere than anywhere else in all the world“
(Blackburn, Julia. 1993. The emperor’s last island, p.5)
1.900 km westlich der Küste von Angola, 2.900 km östlich Brasiliens, liegt die 122 km2 grosse Insel vulkanischen Ursprungs, einst ein Stützpunkt der Seefahrt zwischen den beiden auseinandergebrochenen Kontinentalschollen Afrika und Südamerika. Ab dem 16. Jahrhundert liefen portugiesische Seefahrer die Insel auf dem Weg nach Indien an; nach ihnen setzten sich die Holländer fest und schliesslich besetzte 1673 die britische East India Company St. Helena, baute ein Fort und verwaltete sie mit Zustimmung der Krone bis 1834.
Die Ausweitung der Nahrungsmittelproduktion, der Verbiss durch die zahlreichen Ziegen und vor allem das Schlägern der Bäume zerstörten immer mehr Wald und Boden. Regenfälle schwemmten das Erdreich davon. Das Paradies von einst wurde ein unfruchtbarer Felskegel, dessen Bewohner von den Dienstleistungen für die Schiffe, die vor Jamestown ankerten, lebten und auf Lebensmittelimporte angewiesen waren. Fast 4 Fünftel der Oberfläche sind heute Ödland.
Die Bewohner produzierten vor allem für die Versorgung der Schiffe; die lokalen Produkte wurden teuer verkauft und als Folge war die Company gezwungen Lebensmittel zu importieren und deren Preis zu stützen. Die Verbannung Napoleons, der von 1815 bis zu seinem Tod 1821 hier lebte, brachte einer Verdopplung der Bevölkerung auf etwa 7.000. Soldaten, britische Beamte, ein kleiner französischer Hofstaat, Handwerker und Dienstpersonal, Geschäftsleute – alle hatten für einige Jahre im französischen Kaiser ein neues soziales Zentrum. Die Briten nützten auch später die Insel als Verbannungsort, so etwa für Kriegsgefangene während des Burenkrieges.
Mit der Abschaffung der Sklaverei wurde St Helena zu einem Stützpunkt der der britischen Flotte im Einsatz gegen den Sklavenhandel, doch 1864 ging auch diese Periode zu Ende. Die Eröffnung des Suezkanals 1869 macht die Passage um die Südspitze Afrikas unattraktiv. Dampfschiffe ersetzten die Segelschiffe und die Einrichtung von Kühlanlagen machte einen Zwischenhalt zur Versorgung mit frischen Lebensmitteln überflüssig. St. Helena hatte damit seine wirtschaftliche Bedeutung weitgehend verloren. Handel und Lebensmittelproduktion verfielen, landwirtschaftliche Produzenten, Beamte und Gewerbetreibende verliessen die Insel. Einige wenige Unternehmer nützen die Gelegenheit, Boden und Firmen billig aufzukaufen.
Der Anbau und die Verarbeitung von Flachs brachte einem Teil der Menschen ein mageres Einkommen. Mit unterschiedlichem Erfolg dauerte diese Produktion bis in die 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Dann lösten Erdölderivate den Hanf als Rohstoff in der Produktion von Seilen ab und so verschwanden auch diese schlecht bezahlten Arbeitsplätze.
Den rund 2.000 Arbeitnehmern blieben der Dienst in der Verwaltung, Arbeit in einem der Betriebe und im Handel, oder die Arbeitsmigration. Südafrika und Grossbritannien waren für die farbigen Saints aufgrund der restriktiven Einwanderungspolitik beider Staaten nur schwer zu erreichen, doch auf der nächstgelegenen Insel Ascension, formell der Verwaltung des Gouverneurs auf St. Helena unterstellt, bieten Stützpunkte der Briten und Amerikaner Beschäftigung. Für die meisten Saints ist diese Arbeitsmigration nach Ascension oder auf die Malwinen („Falkland Inseln“) jedoch nur eine temporäre Sache.
Seit 1967 hat die Insel einen Legislativrat, dem neben einem gewählten Speaker und drei beamteten ex-officio Mitgliedern 12 gewählte Vertreter angehören. 1988 erhielt das Britische Überseeterritorium eine eigene Verfassung und damit eine gewisse Autonomie. Der Versuch einer südafrikanischen Firma, das grösste Unternehmen auf der Insel anzukaufen, führte zu heftigen Protesten und zwang die Lokalregierung dazu, als Käufer einzutreten. Damit ist sie, seit Mitte der 1970er Jahre, Besitzer des grössten Teils des Bodens und der Unternehmen auf der Insel.
Bis 2017 war St Helena nur mit dem Schiff erreichbar. Seither gibt es eine Flugverbindung aus Südafrika bzw. Namibia, die jedoch aufgrund der schwierigen Windverhältnisse nur mit kleineren und halb ausgelasteten Flugzeugen betrieben wird.
„Die Menschen, die auf der Insel bleiben, leben in einer anderen Welt. Sie verdienen weit weniger als ihre Mitbürger im Vereinigten Königreich, müssen aber höhere Preise für Lebensmittel und Baustoffe zahlen, die importiert werden. […] Dem Statistischen Jahrbuch 2009/10 betrugen die Exporte 321.000 £, die Importe hingegen 10,2 Mio. £“ (Devereux 2012:7) Oft müssen sie sich mit dem begnügen, was in den Läden zu finden ist und haben aufgrund fehlenden Wettbewerbs keine Chance, Waren günstiger zu beziehen. 2018 lag das Nationaleinkommen pro Kopf der Saints bei 8.200 £, während es in Grossbritannien fast 31.000 £ betrug.
2018 verabschiedete die Lokalregierung einen Zehnjahresplan für Nachhaltige Entwicklung. Es ist kaum zu erwarten, dass mangels konkreter Instrumente und Akteure die optimistischen Ziele in den Sektoren Tourismus, Fischerei oder Importsubstitution von Lebensmitteln und Baumaterial auch nur annähernd erreicht werden. Der Plan belegt vielmehr, dass 350 Jahre britischer Kolonialismus der vereinnahmten Insel weder Fortschritt noch Eigenständigkeit gebracht haben und ihre Bewohner_innen auch weiter in passiver Abhängigkeit bleiben werden.
Ascension & Tristan da Cunha
1922 übernahm der Gouverneur von St. Helena die Verwaltung von Ascension von der Marine und 1938 wurde ihm Tristan da Cunha formell unterstellt. Ascension hat einen Flughafen, die Anlagen der Royal Air Force und der US Air Force, sowie die Kommunikationseinrichtungen von Cable & Wireless bzw. BBC.
Tristan da Cunha mit etwa 260 Einwohner_innen liegt etwa 2000 km südlich von St Helena, Harte Lebensbedingungen, die stete Auseinandersetzung mit dem Meer und der starke Zusammenhalt der Bevölkerung prägen die Bevölkerung. Die Insel lebt vom Fang und der Konservenproduktion von Langusten; einiges bringt auch der Verkauf von Briefmarken und Touristenartikel ein. Fast alle Berufstätigen sind irgendwie bei der Lokalverwaltung angestellt und werden aus dem Einkommen aus diesen beiden Quellen bezahlt. Die Gehälter sind niedrig, aber auch Steuern und Kosten für Sozialleistungen.